Daily Reports of TRANSDRIFT XVI

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Sonntag, den 6.9.2009, Tiksi

Der erste Eindruck

Am Mittwoch, den 2.9.2009, sind wir nach einer langen Anreise endlich an unserem vorübergehenden Ziel, in Tiksi, angekommen. Dort haben wir die letzten vier Tage verbracht und auf das Schiff gewartet, dessen Ankunft sich wegen starken Gegenwinds verzögert hat. Inzwischen haben wir uns die Zeit, neben den notwendigen Expeditionsvorbereitungen tagsüber vor Ort, abends unter anderem mit diversen Filmen, Computer- oder Kartenspielen vertrieben oder Spaziergänge durch und um Tiksi unternommen. Hierbei haben wir festgestellt, dass dieser Ort, der auf den ersten Eindruck ein wenig trostlos erscheint, durchaus seinen Charme hat. Die meisten Einwohner sind sehr freundlich und nahmen es uns (Kerstin und Nadine) nicht übel, dass unser einziges russisches Wort ,Danke' war, sondern lachten uns nur freundlich an.

Jeden Morgen und jeden Abend wurden wir im Restaurant „Sever" mit deftigem Essen versorgt, das uns nach kurzem Eingewöhnen echt gut schmeckte. Sobald sich etwas Neues wegen des Schiffes ergab, setzten sich alle zusammen, um eine kurze Lagebesprechung abzuhalten oder die Schichten einzuteilen. Morgen geht es dann hoffentlich los, wir können aufs Schiff gehen und laufen voraussichtlich am Dienstag, den 08.09.09, im Laufe des Nachmittags aus dem Hafen von Tiksi aus.

Und dann beginnt der arbeitsreichste Teil dieser Expedition: 40 Stationen, an denen Wasser-, Sediment- und Planktonproben genommen werden, sowie das Bergen, Instandsetzen und Wiederausbringen von vier Meeresbodenobservatorien liegen in den nächsten 11 Tagen vor uns.

Doch wie heißt es so schön? „Packen wir's an!"

Viele Grüße aus Tiksi an alle Daheimgebliebenen,
die Expeditionsteilnehmer

 

 

Mittwoch, den 9.9.2009, 74°2'N, 130°E

Gestern war es dann endlich soweit: Die „Yakov Smirnitsky" ist in Tiksi angekommen, und wir konnten das Schiff beladen und unsere Kabinen an Bord beziehen. Dann begann endlich (naja, fast endlich …) die eigentliche Arbeit: Während unsere Biologen (Fedor und Dima) zusammen mit Kerstin (die sich mehr um die Wasserprobennahme kümmert) ihren Teil des Labors aufbauten, also die Netze vorbereiteten, die Filtration aufbauten, Flaschen beschrifteten etc., bereiteten Andrey und Elena das kleine chemische Bordlabor vor, in dem viele der Wasserproben vor Ort ausgewertet werden.

Nadine, Ivan und Torben wiederum kümmerten sich um den Kranzwasserschöpfer („Rosette"), den sie zusammenbauten, kontrollierten und programmierten. Diese Rosette ist mit einer Seabird-CTD (Conductivity-, Temperature- und Depth-Recorder – Leitfähigkeit-, Temperatur- und Tiefenmessgerät) sowie bis zu 12 Wasserprobenflaschen ausgestattet und erlaubt es uns, aus zuvor definierten Tiefen Wasserproben zu nehmen. Die Seabird-CTD misst außer Temperatur, Salzgehalt und Druck außerdem noch Trübe, Chlorophyll und Sauerstoff. Diese Messungen werden an jedem Profil permanent durchgeführt, und zwar mit 4 Messungen pro Sekunde, so dass im Ergebnis ein hoch aufgelöstes Profil der Wassersäule jeder Station entsteht. Dieses Profil bildet dann die Grundlage für die weitere Probennahme.

Nach dem mehrstündigen Aufbauen und Vorbereiten waren wir alle auch ziemlich geschafft, da wir an diesem Tag eine Zeitumstellung von 6 Stunden mitgemacht hatten – der Tag war also gut 30 Stunden lang. Das liegt daran, dass das Schiff auf Moskau-Zeit läuft, damit die Besatzung sich nicht immer umzustellen braucht, denn gerade hier oben kann man an einem Tag auch gut mal mehrere Zeitzonen durchfahren. Entsprechend waren wir alle recht früh im Bett.

Wir nähern uns mit 11 Knoten zügig unserer ersten Station und hoffen, dass Neptun, Thor und die Schiffsküche uns gnädig bleiben.

Mit besten Grüßen aus der Laptev-See,
das Expeditionsteam

 

 

Donnerstag, den 10.09.09, 74°20'N 123°60'E, Laptev-See

Bordgeflüster

Unsere ersten Tage auf Schiff sind überstanden, und die ersten Eindrücke gesammelt. Elena und Ivan haben sich bereit erklärt, die Nachtschicht zu übernehmen. Kerstin und Andrey sind entsprechend für die Tagschicht eingeteilt. Nachdem sich alle eingespielt haben, werden jetzt fleißig Proben gesammelt. Heute Morgen zu Schichtbeginn wurden Andrey und Kerstin beim Proben-Nehmen von einem neugierigen Seehund beobachtet. Er ist zu unserem neuen Postkartenmotiv geworden. Auch unsere fleißigen Biologen, Fedor und Dima, sind stets an der Arbeit, die sich zu einem großen Teil im Nasslabor eine Etage weiter unten abspielt.

Ansonsten ließen die ersten blauen Flecken nicht lange auf sich warten – das ist auch kein Wunder, denn das Schiff schwankt doch ganz ordentlich und entsprechend werden wir hier herumgewirbelt. Nadine hat ihre persönlichen Feinde ausgemacht, die Türen/Luken! Sie wollen einfach nicht zugehen, weder von außen noch von innen, aber zum Glück ist meistens jemand in der Nähe, der ihr zu Hilfe eilen kann. Am Essen kann es auf keinen Fall liegen, denn das ist wirklich sehr gut. Jeden Morgen kommt pünktlich um 7:30 Uhr unsere nette Küchenfrau, um uns zum Frühstück zu holen. Und ab diesem Zeitpunkt gibt es dann alle vier Stunden etwas Leckeres zu Essen.

Heute sieht man zum ersten Mal, seit wir ausgelaufen sind, ein paar Flächen blauen Himmels und es wächst bei so manchem die Hoffnung wieder, doch noch Polarlichter sehen zu können.

Mit der Stationsarbeit kommen wir auch gut voran – nach den üblichen Anlaufverzögerungen haben sich die Schichten mittlerweile eingespielt und die Stationen gehen zügig von der Hand. Vor einigen Stunden haben wir Station Nummer 10 beendet, so dass unser erstes Ost-West-Profil fertig ist. Jetzt befinden wir uns gerade auf dem Weg zu unserem ersten Meeresbodenobservatorium ANABAR (eine sogenannte Mooring), das wir am frühen Morgen erreichen und dann hoffentlich erfolgreich bergen können – immerhin messen die Geräte an der Mooring seit letztem September im 15-Minuten-Takt Daten (Strömungsrichtung und -geschwindigkeit, Temperatur, Salzgehalt, Trübe), an denen wir brennend interessiert sind.

Aber mehr dazu im nächsten Bericht.

Beste Grüße aus der Laptev-See,
das Expeditionsteam

 

 

Samstag, den 12.09.09, 76°N, 127°E

Die letzten zwei Tage waren sehr Kräfte zehrend für Torben und Nadine, denn endlich sind wir an den Meeresboden-Observatorien (Moorings) angekommen. Von diesen seit letztem August dauerhaft am Meeresboden verankerten Messstationen haben wir in den letzten 48 Stunden drei an Bord geholt, geputzt (ja, sie stinken ziemlich nach Fisch, da sie über und über mit Bryozonen bewachsen sind!), die Daten ausgelesen, Batterien gewechselt und wieder soweit startklar gemacht, denn diese Moorings werden von uns in den nächsten Tagen auch wieder ausgesetzt. Natürlich haben die anderen auch während dieser Zeit weiter Proben genommen und auch hier ist es mehr geworden, da die Wassertiefe jetzt stetig zunimmt, während wir uns Richtung Norden langsam zum Schelfrand vorarbeiten. Im Moment sind wir auf dem Weg zum vierten Mooring und in der Zwischenzeit werden keine Stationen gefahren, was bedeutet, dass grade fast alle tief und fest schlafen. Der Wind hat wieder zugenommen, nachdem er die letzten beiden Tage eher als laues Lüftchen aufgetreten ist, und wir merken grade, dass der arktische Sommer nicht wirklich warm ist.

Das heutige Highlight waren nicht die zugewachsenen Moorings, sondern ein Seestern, der sich an der Rosette festgehalten hat und sich unser Schiff mal von Nahem anschauen wollte. Nach kurzer Photosession wurde er aber wieder von Bord gelassen und landete etwas unsanft im Wasser – da, wo er hingehört.
Von rein wissenschaftlicher Seite aus betrachtet haben wir mittlerweile 25 Stationen erfolgreich hinter uns gebracht und im Schnitt an jeder Station ca. 40 Wasserproben genommen. Jetzt liegen noch 15 solcher Stationen vor uns, und wenn das Wetter weiter so mitspielt, dürften wir auch diese Stationen schnell und problemlos machen können.

Die Daten der geborgenen Moorings werden von uns gerade auf Plausibilität und Vollständigkeit geprüft – Geräte, die man für ein Jahr in den Tiefen des Arktischen Ozeans „versenkt", können da zuweilen etwas zickig sein …

Beste Grüße aus der verschneiten Laptev-See,
das Expeditionsteam

 

 

Sonntag, den 13.09.2009

Unser 6. Tag auf der Laptev-See begrüßte uns heute mit Temperaturen deutlich unter null Grad Celsius, die so manchem kalte Finger bescheren und das Arbeiten auf Deck nicht unbedingt erleichtern. Neben teilweise kräftigem Schneefall ist heute das erste Mal seit Fahrtbeginn zeitweise blauer Himmel sowie die Sonne zu sehen. Das ermöglichte uns, faszinierende Bilder zu sehen und auf Film festzuhalten.

Leider gab es am Morgen einige Probleme mit der vierten Mooring, die trotz positiver Rückmeldung und zwei Versuchen, sie mit einem Schleppseil, Ankern und Haken (das so genannte „Dredgen") zum Aufsteigen zu bewegen, letztendlich schweren Herzens nach vier Stunden vergeblichem Bemühen zurückgelassen werden musste. Besonders für Torben ist es daher nach eigenen Aussagen „nicht sein Tag", da er neben diesem Verlust auch noch mit einigen technischen Problemen an der Rosette (dem Kranzwasserschöpfer) zu kämpfen hat.

Die anderen Expeditionsteilnehmer sind weiterhin fleißig am Probennehmen und für jede überraschende Abwechslung dankbar. Diese wurde ihnen heute durch zwei beim Arbeiten zufällig an Bord geholte Tiere beschert, die laut Aussagen der Biologen mit Seesternen verwandt sind und direkt mit einem Lächeln von Dima und Fedor für ihre Forschungszwecke (zusammen mit etwas Formalin) „eingetütet" wurden.

Das Tageshighlight, das aus leckerem Mohngebäck und einer Tafel Schokolade für jeden zum Tee bestand, schaffte es schließlich, die Stimmung nach diesem anstrengenden Tag aufzuhellen und darüber hinweg zu trösten, dass wir auch heute, an dem nördlichsten Punkt unserer Expeditionsroute, trotz großer Hoffnung einiger Expeditionsteilnehmer kein Eis zu Gesicht bekommen haben.

Mittlerweile befinden wir uns auf dem Weg zur Station 26, an der wir unsere erste Mooring (OSL2D) wieder aussetzen werden – sie soll wiederum mindestens ein Jahr lang im 15-Minuten-Takt verschiedene Parameter der Wassersäule messen, unter anderem Strömungsstärke und -richtung, die Trübe sowie den Salzgehalt und die Temperatur des Wassers in verschiedenen Tiefen.

Viele Grüße von 78° Nord und 143° Ost,
das Expeditionsteam

 

 

Mittwoch, den 16.09.09, 10:30 Uhr Moskau-Zeit

Die letzten beiden Tage waren relativ(!) entspannt. Am Montag wurde die erste Mooring erfolgreich wieder ausgesetzt, nachdem sie am Sonntag schon programmiert und zusammengebaut worden war. Die Probennahmen sind weiter gelaufen wie bisher, nur dass zwischen den Stationen mehr Zeit war, da die Abstände größer geworden sind. So konnte die freie Zeit endlich mal wieder für entspannte Gespräche, Spiele oder zum Filmeschauen genutzt werden.
Am Montagabend gesellte sich ein neuer Gefährte zu uns, ein Ballonkopf - gebastelt aus einem Labor-Gummihandschuh. Nachdem er von Dima kurzerhand Wassilij getauft wurde, entschied man sich, ihm noch eine Gefährtin zu basteln – und so dauerte es dann auch nicht lange und am Dienstagabend war das erste Ballonbaby geboren. Die kleine Familie hat mittlerweile sogar ihren festen Platz im Labor gefunden und wacht genauestens über die weiteren Geschehnisse.
Unser Tag wird heute von einigen, mittlerweile schon recht ungewohnten, Wellen begleitet, die das Schiff leicht schwanken lassen, und der Horizont ist von einer relativ dichten Nebelbank getrübt. Man könnte fast meinen, die Laptev-See sei traurig, dass wir innerhalb des heutigen Tages bereits die letzten Stationen unserer Ausfahrt anfahren werden und danach der Rückweg nach Tiksi beginnt ...

Der morgige, letzte Tag auf See wird dann von den Expeditionsteilnehmern genutzt werden, um alle Geräte, Proben und sonstige mitgebrachte Dinge wieder in den Kisten zu verstauen und somit das nahende Ende unserer gemeinsamen Ausfahrt einzuleiten.

Nachtrag um 17:00 Uhr

Wie nehmen alles zurück, was wir über das Wetter gesagt haben: Heute, als wir die zweite Mooring (KHATANGA) ausgebracht haben, kam doch tatsächlich die Sonne noch mal raus und wir hatten so viel blauen Himmel wie noch nie zuvor. Damit wir aber nicht zu sehr verwöhnt werden, zog sich die Sonne nach gut einer Stunde wieder zurück, und danach waren dann wieder unsere gewohnten dicken Wolken zu sehen. Alles in allem gab es wieder mal tolle Bilder.

Bis bald!
Das Expeditionsteam